„Daran kann sich das Kind doch später eh nicht erinnern!“, wie oft hast Du diesen Satz schon gesagt, gehört oder gedacht? Was wenn ich dir sage, dass der menschliche Körper ab dem Moment der Befruchtung beseelt ist, oder anders gesagt eine Psyche besitzt? Das würde für dich bedeuten, dass jede Erfahrung, die du ab deiner Zeugung gemacht hast, in dir gespeichert wird und somit bedeutsam für dein weiteres Leben ist.
„Ein Mensch wird nicht Mensch, sondern ist Mensch und verhält sich von Anfang an als ein solcher. Und zwar in jeder Phase seiner Entwicklung von der Befruchtung an.“ (Blechschmidt, 1989, S.30).
Oft wird ein vorgeburtliches Kind erst als Mensch bezeichnet, sobald es menschliche Formen und menschliches Verhalten annimmt. Die Definition von Psyche bedingt allerdings kein funktionierendes Nervensystem, denn dann müsste man auch nachgeburtlichen Kindern eine Psyche absprechen (Krens & Krens, 2006). Durch die dreidimensionale Ultraschalltechnik konnte beispielsweise nachgewiesen werden, dass Kinder ab der 26. Schwangerschaftswoche lächeln und weinen können. Das sind Fähigkeiten, die zuvor nur Kindern ab der 6. Lebenswoche zugesprochen wurden (Hüther & Krens, 2005). Somit denken wir um: Ein Organismus entwickelt sich nicht vom Niederen zum Höheren, er entwickelt sich seit seiner Entstehung nur beständig weiter.
Die Strukturierung deines neuronalen Netzwerkes und deines Körpers beginnt in der pränatalen Zeit. Jede Lebenserfahrung, egal ob negativ oder positiv, wird mit den dazugehörenden Gefühlen und Gedanken abgespeichert und in sich ähnlich anfühlenden Situationen (Trigger) automatisch abgerufen. Dein Unterbewusstsein wird geformt, das dich durch starke Gefühle und unbedachte Handlungen dein ganzes Leben lang begleiten wird.
Durch die Arbeit mit deinen inneren kindlichen Anteilen kannst du verborgenen Schmerz und liegengebliebene Potentiale befreien. Als erwachsene Frau bist du unabhängig von der Fürsorge anderer und hast die Möglichkeit durch Eigenverantwortung neue Wege zu gehen.
Literatur:
Blechschmidt, E. (1989). Wie beginnt das menschliche Leben. Vom Ei zum Embryo. Stein am Rhein: Christiana.
Krens, I. & Krens, H. (2006). Risikofaktor Mutterleib. Zur Psychotherapie vorgeburtlicher Bindungsstörungen und Traumata (H. K. Inge Krens, Hrsg.). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Hüther, G. & Krens, I. (2005). Das Geheimnis der ersten neun Monate. Unsere frühesten Prägungen. Walter Verlag.